Paulus-Lager®: Das Handwerker-Paradoxon - Volle Auftragsbücher und leeres Konto
Die Anforderungen an ein Lager im SHK-Handwerk sind hoch. Mehr als 3.500 Artikel, bei großen Betrieben sogar über 4.500 Standardartikel, sind zu managen. Diese Vielfalt macht eine durchdachte Lagerstruktur gerade für SHK-Fachbetriebe zum Erfolgsfaktor: Auf der einen Seite sparen klar definierte Lager viel Zeit
und Sucherei. Genauso wichtig sind aber auch die hohen Kosteneinsparungen, die dank eines sauber aufgesetzten Lagerprozesses möglich werden. Es geht um weit mehr als nur ein sauberes und ordentlich aufgeräumtes Lager. Schlanke und effiziente Prozesse rund um die Materialwirtschaft und das Lager wirken wie eine Verjüngung in das ganze Handwerksunternehmen hinein.
Wie eine Optimierung des gesamten Lagerprozesses funktionieren kann und was es in Zahlen bringt, zeigt der Besuch bei der Hans-Heinrich Otte e. K.
Das Unternehmen für Sanitär, Heizung, Klimatechnik und Photovoltaik zählte im Jahr 2020 genau 70 Mitarbeiter. Auf den ersten Blick schien damals alles perfekt: die Auftragsbücher waren voll und der Jahresumsatz lag bei 10 Mio. €. Doch der Scheint trügte, wie sich Sven Otte, Geschäftsführer in zweiter Generation, erinnert: „In der betriebswirtschaftlichen Auswertung sah alles gut aus. Aber uns fehlte es an Liquidität. Und das lag an unserem Lager.“
Liquidität in Gefahr
Dieses Lager hatte Firmengründer Hans Otte im Jahr 1996 als 3-geschossige Stahlkonstruktion selbst gebaut. Im Laufe der Jahre wurde dort einfach alles unsortiert abgelegt, wo gerade Platz war. „Niemand hatte so wirklich den Überblick,“ gesteht Sven Otte rückblickend. Und weiter: „Oft wurde doppelt bestellt, weil niemand wusste, was noch vorhanden war. Auf den Baustellen fehlte immer wieder Material und unsere Mitarbeiter verschwendeten viel Arbeitszeit mit Suchen und Improvisieren.“ Dem gelernten Betriebswirt war bald klar: Die Liquidität der Firma war in Gefahr, weil viel zu viel Geld in Material gebunden war. Dazu verloren die Monteure jeden Tag wertvolle Zeit, weil sie suchen mussten und die Prozesse unklar waren.
Lieber vollständige Lageroptimierung als halbe Lösung
Eigentlich wollte Otte zunächst das bestehende Lager ein wenig umbauen und etwas optimieren. Doch dann traf er 2021 auf Doris Paulus von „Paulus Lager“. Sie gilt seit über 20 Jahren als Expertin für Lagerprozesse im Bauhandwerk. Nach eigenen Aussagen hat sie allein im SHK-Bereich bereits in mehr als 250 Betrieben die Lagerprozesse erfolgreich umgestellt. „Im Gespräch mit Paulus haben wir dann schnell gemerkt, dass ein bisschen zu optimieren nur eine kurzfristige Lösung gewesen wäre und wir wieder schnell beim Improvisieren landen würden;“ berichtet Otte. Er habe sich deshalb für eine vollständige Lageroptimierung mit dem Paulus-Lager-System entschieden.
Über 3500 Stammartikel mit 80% Schüttgut
Die sogenannte „Fünf-Phasen-Optimierung“ von Paulus-Lager basiert auf einer Methode des Lean Management von Toyota. Es wurde 1947 für die Automobil-Industrie entwickelt und 2000 von Paulus an die Bedürfnisse speziell in Bau-Handwerksbetrieben angepasst: Hier wird jeden Tag anderes Material vom Monteur aus dem Lager entnommen, mal in Form einer Verpackungseinheit, mal als Einzelstück. Nicht benötigtes Material wird wieder eingelagert. Im SHK-Betrieb sind das schnell über 3500 Standardartikel. Davon sind rund 80% Schüttgut und Materialien, die bei der Verarbeitung passend zurechtgeschnitten werden, wobei die anfallenden Reste noch verarbeitet werden können. „Diese Entnahme- und Wiedereinlagerungsvorgänge will niemand buchen und es wäre auch viel zu aufwändig und zu teuer“, erläutert Doris Paulus. Sie sagt: „Ein SHK-Fachbetrieb sollte so organisiert sein, dass es mit offenen Verpackungseinheiten und unterschiedlichsten Beständen lieferfähig bleibt.“
Ordnung in Strukturen und Prozesse bringen
Herzstück des Paulus-Lagersystems ist deshalb ein spezielles Regalbeschriftungskonzept, das auf den ersten Blick erkennbar macht, wo ein Teil hingehört, ob die Mindestmenge noch vorhanden ist oder ob es bereits nachbestellt wurde. Bei Otte wurde genau geschaut, wie die Prozesse bisher laufen und was und wie konkret neu angepackt werden muss. Das alte Lager wurde komplett leergeräumt und das Material notiert, das zukünftig bewirtschaftet werden sollte. Hausaufgabe an das Otte-Team: Alle Artikelstämme mit einem definierten Wortgebrauch erfassen und einen Überblick erhalten. Diese Artikelliste ist in der EDV hinterlegt. „Da gab es so manchen Aha-Effekt,“ erinnert sich Otte. „Wir mussten ja nicht mal neues Material kaufen. Es war alles da, nur unsortiert.“ Dann folgte der Umbau. Nachdem eine Zwischendecke eingezogen wurde, ist das Lager jetzt von drei auf zwei Stockwerke übersichtlich zusammengefasst.
Nur das Material bestellen, was man wirklich braucht
In den neuen, beschrifteten Regalsystemen liegt das Material nun frei zugänglich und in ausreichenden Mengen parat. Die Monteure haben am Tablett auf der Baustelle sofort Zugriff auf die Lagerliste und können Kommissions- und Standardmaterial schon beim Aufmaß übernehmen. Nur wenn Material nicht vorhanden ist, werden Bestellungen – auch ab Baustelle – aufgegeben. Sven Otte erklärt: „Oft sind das Teile mit Lieferzeiten. Wir können uns jetzt aber immer darauf verlassen, dass wir unser Material wirklich im Lager vorrätig haben. Besonders bei Noteinsätzen ist das für unseren Kundendienst von Vorteil. Wir sind stolz darauf, dass wir defekte Anlagen in kürzester Zeit wieder zum Laufen bringen können!“ Auch die Abrechnung, insbesondere Kleinrechnungen, gelingt viel schneller als früher. Sieht man doch sofort, welcher Artikel mit definiertem Namen und Preisen in welchem Fach liegt.
Gelebter Lagerprozess hält alles aktuell
Jeder der heute 90 Mitarbeiter lebt den neuen, strukturierten Lagerprozess mit. Regelmäßige Schulungen sind Pflicht, vor allem bei neuen Mitarbeitern, die sonst das Chaos aus ihrem letzten Betrieb eventuell mitbringen würden. Im Paulus-Onlineshop werden Regalschienen, Etiketten, Aufkleber für Kommissionsware und Retouren sowie weitere Helfer für den Lageralltag nachbestellt. So lässt sich die neue Lagerordnung auch langfristig nahtlos fortführen und aufrechterhalten.
Betriebswirtschaftlicher Erfolg
Betriebswirtschaftlich gesehen hat die Lagerprozess-Optimierung die Firma enorm vorangetrieben, sagt Sven Otte heute: „In unserer damaligen Situation war das Projekt für uns zunächst eine große Investition. Es hat sich aber innerhalb von sechs Monaten vollständig amortisiert. Lag unser Projektumsatz 2020 noch bei 10 Mio. €, so sind es heute bereits 18 Mio. €! Wir müssen unsere Arbeitszeit jetzt nicht mehr ins Lager stecken und Liquiditätsprobleme haben wir tatsächlich schon seit dem Projektjahr nicht mehr.“
Der Erfolg in Zahlen (Quelle: Hans-Heinrich Otte e. K.)
- Betriebskostenquote gesenkt: von 3,8 % auf 1,8 %
- Personaleinsatzquote von 26% auf 21% gesenkt
- 117.000 € Gewinn für zusätzliche Skonto-Nutzung pro Jahr
- >150.000 € durch klar organisierte Retouren
- 10 Mio. € Umsatz im Jahr 2020, 18 Mio. € Umsatz im Jahr 2025
Zu einem 30-minütigen Interview mit Sven Otte, Geschäftsführer Hans-Heinrich Otte finden Sie hier.







